Wonach schreit ihr, Geliebte
Traurigkeit verschafft dir Linderung. Lasst uns das zugeben. Du setzt Traurigkeit manchmal wie eine Salbe ein. Du tröstest dich mit all deinen traurigen Gedanken. Selbst wenn sie dich zum Weinen bringen, setzt du sie an und findest beschwichtigenden Trost. Das ist in Ordnung, durchaus. Was du zu tun hast, ist das einzugestehen.
Selbst dein Schuldempfinden trägt Angenehmes mit sich. Selbst deine Einsamkeit hat Süßes an sich. Du liebst Gefühle. Du liebst es, dich traurig zu fühlen. Protestiere nicht. Wenn du es nicht tätest, würdest du die Traurigkeit nicht so stark herbeibeschwören. Lasse jene Tränen von deinen Augen heruntergleiten. Bringe die Ernte der Traurigkeit ein und lasse sie los, dorthin, wohin jedwede Traurigkeit geht. Sie wird geläutert und fließt wieder zurück. Sie wird süßer und süßer.
Versage dich dem nicht. Du findest Trost in dem, was war und nicht mehr ist. Und doch, was Ich dir gerne übermitteln möchte, ist, dass die entschwundenen Begebenheiten und Menschen, die du vermisst, ebenso sehr jetzt existieren, wie sie es eh und je taten. Es ist einfach so, dass du zu jener Zeit und zu der körperlichen Existenz, die sie einem antrugen, nicht zurück gehen kannst. Zu der Zeit gaben dir natürlich die Ereignisse und Menschen wohl nicht den Trost, den du zurzeit bei ihnen findest.
Mithin bist du auf deine ureigene menschliche Weise dabei, die Masche aufzunehmen, die du vor so langer Zeit hast fallen lassen. Du warst derart in Eile, dass du nicht erkanntest, wie du eine Masche fallen ließt, bis du dann lange an ihr vorbei warst. Worum, Geliebte, geht es demnach, worüber ihr weint? Für wen ist eure Traurigkeit? Sie ist auf euch bezogen, dafür dass ihr nicht imstande seid, das zu flicken, was ihr vormals nicht ausreichend genug einsaht, um es zu verhindern, und was ihr derzeit nicht in Stand zu setzen vermögt, einerlei wie sehr ihr euch das wünscht, einerlei wie sehr ihr euch wünscht, ihr hättet das früher einmal getan.
Das Leben, an dem ihr - es war einmal - derart rasch vorbeigegangen seid, vor ihm würdet ihr jetzt gerne in die Knie gehen. Ihr würdet gerne die Tränen wegküssen, die ihr einem Anderen verursachtet. Ihr wollt gerne die Mittäterschaft in einem Stück wegküssen, was ihr jetzt nicht mehr in der gleichen Weise durchspielen würdet.
Küsst nunmehr eure eigenen Tränen weg. Segnet euch selbst, und kommt von euren Knien hoch. Die Traurigkeit über eure längst vergangene Vergangenheit ist flüchtig. Ja, es stimmt, ebenjene Flüchtigkeit trägt gleichfalls zu eurer Traurigkeit bei. Es ist für euch eine weitere Ursache, traurig zu sein, dass ihr nicht mehr so voll und ganz an der Traurigkeit festhalten könnt, die ihr früher derart eng an euch gehalten habt. Oh, nein, ihr büßt gar eure gänzliche Traurigkeit ein.
Selbstverständlich, ihr habt ebenfalls ein plötzliches Unwohlsein, was eure Zukunft anbelangt, jedoch werden wohl Bedenken gegenüber der Zukunft, anders als Traurigkeit, dazu neigen, sich mehr wie Scheu oder Schrecken auszugeben. Gewiss, Traurigkeit ist wünschenswerter als Schrecken.
Nun mache Ich den Vorschlag, dass du in Hinsicht auf die Vergangenheit und Zukunft Freude hast, weswegen denn nicht?
Was die Vergangenheit angeht, wieso sich nicht freuen, dass ihr euch ihrer annehmt? Wieso nicht fröhlich sein, dass ihr jetzt herangewachsen seid und von einer umfassenderen Perspektive her seht, als das früher der Fall war. Ihr wolltet gerne, falls das möglich wäre, zurückgehen, und das umändern, mit welchen Reaktionen ihr es damals zu tun hattet, indes, Geliebte, das könnt ihr nicht. Ihr könnt schier euren Hut lüften und sagen: „Es tut mir leid. Es tut mir jetzt leid. Ich hätte jetzt so gerne jede Minute gemeinsam mit dir. Was für ein Ochse war ich damals, das nicht getan zu haben. Ich könnte auf mich eintreten. Jetzt bist du sehr zärtlich zu mir, und jetzt bringst du all die Lieblichkeit in mir heraus, derer ich nicht gewahr war und derer ich jetzt so überaus gewahr bin. Demnach bin ich gewachsen, und du, den ich vermisse, warst Teil meines Wachstums. Ich danke dir für all das, was ich von dir gelernt habe. Es tut mir leid, es hat bei mir so lange gebraucht, bis ich es dazulernte. Mögest du jetzt meine Liebe erkennen. Womöglich warst du seit eh und je damit vertraut, und ich bin der Einzige, bei dem das nicht der Fall war.
Was die Zukunft angeht, lasse mich mir selbst, lasse mich den Vorkommnissen und einem Jeden jetzt in dem Augenblick vergeben, und die Existenz von Bedauern wird gerne entschwinden.“
Translated by: theophilPermanent link to this Heavenletter: https://heavenletters.org/wonach-schreit-ihr-geliebte.html - Thank you for including this when publishing this Heavenletter elsewhere.
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