HEAVEN #1759 In der Dachkammer eures Geistes
IN DER DACHKAMMER EURES GEISTES
Siehst du, wie ein Gutteil deines gegenwärtigen Grams eine Anhäufung aus der Vergangenheit darstellt? Du bewahrst die Vergangenheit in einer alten Truhe im Dachgeschoss deines Geistes auf, und du gehst in die Dachkammer hoch und sortierst und ordnest allerhand Dinge deiner Siebensachen um. Man nennt sie dein Hab und Gut, was du dort in dieser alten Truhe aufbewahrt hast, aber es sind nicht deine Habseligkeiten. Sie sind alte Habseligkeiten. Alte Habseligkeiten waren genauso wenig dein eigen, aber du hast sie in einem alten Koffer im Dachgeschoss aufbewahrt.
Du ziehst ein altes Kleidungsstück nach dem anderen heraus, oder büschelweise. Du hältst sie hoch und untersuchst sie genau. Du stellst sie neu zusammen. Sie schlüpfen dir durch die Finger, wie es das gegenwärtige Leben tut. Du bist oben in der Dachkammer, hältst der Gegenwart, wie durch ein Fenster, die Vergangenheit hin. Du möchtest die Vergangenheit einfach nicht los lassen. Schön oder schrecklich, du hast sie schlicht für das gleiche gehalten, und du fingerst dich durch sie hindurch.
Nichts vermag dir die Vergangenheit zurechtzumachen. Du bellst den falschen Baum hoch. Nichts vermag eine glänzende Vergangenheit mehr zur Rückkehr zu bringen, als eine dunkle. Weder ein Brillantgeschmeide noch ein gerissener Schnürsenkel kann sich jetzt für dich materialisieren, einerlei, wie oft du deine Gedanken an sie in deinem Geist hin und her wendest. Du kannst die Schritte mit deinen Fingern auf den Wolken nachvollziehen. Einerlei wie oft du die vergangenen Erinnerungsstücke nachzählst, einerlei wie sehr du das versuchst, du kannst nicht die gleichen Treppen hochsteigen, noch auch können die Treppen notdürftig instand gesetzt werden. Einzig in deinen Gedanken schlägst du die Vergangenheit zusammen. Deine Erinnerungen sind schier Gedanken an vergangene Gedanken.
Du bist nun etwas wert. Du brauchst keine Vergangenheitsglorien, um dich jetzt anzuleuchten, noch hast du vergangene Unwürdigkeiten nötig, um dein Licht zu dämpfen. Ob es sich um Pracht oder um Pein handelt, du hast von ihr wegzugehen. Dies ist der Tag, den Ich dir gegeben habe. Du bist der Vergangenheit bereits entschlüpft. Sie existiert nicht mehr, außer in den Korridoren deines Geistes. Der Wind blies sie fort wie einen Nebel über dem Moor. Blase sie jetzt mit deinem Atem fort. Blase sie in die Ecken. Hebe den Deckel der alten Truhe weit hoch. Sieh, wie der Inhalt aus der Truhe herausfliegt und im Dunst verschwindet. Aus der Entfernung wird er wie Bänder eines Sonnenuntergangs am Himmel. „Adieu, alte Gedanken, adieu. Ich habe an euch gehangen.“
Nun kommt ein Sonnenaufgang, für dich zur Ausführung gebracht. Stehe auf und heiße ihn willkommen.
Was kann die Vergangenheit jetzt für dich tun? Was erwartest du von ihr, dass sie es tut? Das Beste, was sie tun kann, ist fortgehen und dich alleine lassen. Herumgeisternde Erinnerungen geistern herum. Dir gilt es, neue zu machen. Du hast lange genug an den alten Knochen herumgesaugt.
Dir gilt es nicht einmal, jetzt neue Erinnerungen zu bewerkstelligen. Lasse deine Gedanken an laufende Begebenheiten wie Züge sein, die unentwegt fahren. Für die Kette an Zügen gibt es keinen Schlusspunkt. Sie fahren ununterbrochen, und so eilt das, was ihr das Leben nennt, entlang, und mehr davon ist stets am Kommen.
Der Zug direkt vor euch wird in weniger als einer Sekunde ein alter Zug sein.
Was ist euer Leben jetzt? Ist es vor eurem Computer sitzen? Ist es, wie ihr aufsteht? Ist es wiederbeleben der Vergangenheit, während ihr euch erhebt? Wie viele Ebenen des Lebens sind zugegen? Wie viele Gedanken könnt ihr auf ein Mal haben?
Ihr lebt in vielen Dimensionen. Die Vergangenheit ist keine davon. Genauso wenig die Zukunft. Die sogenannte Vergangenheit beschleunigt euch. Und jetzt seid ihr lebendig, im Begriff, auf einen neuen Zug zu treffen.

