Die Gezeiten des Menschen
So wie dem Ozean Gezeiten eigen sind, gibt es Gezeiten im Leben. Damit es Gezeiten gibt, muss es Ebbe und Flut geben. „Gezeiten“ ist ein anderes Wort für „Zeit“. Zeit und Gezeiten sind im Leben und in deinem Leben offensichtlich, obschon keines von beiden existiert. Ist nicht alles am Leben und alles an der Sprache eine Metapher für das Seien?
Und erheischen nicht Leben wie auch Sprache Köstlichkeit? Einerlei wie du dich über die körperliche Welt beklagen magst, einerlei wie viele Schwierigkeiten dir dein geheiligter Glauben an sie bereiten wird, einerlei wie dicht an dir sie trifft, ist da nicht eine Köstlichkeit zugegen, die schlicht mit deiner Seele widerhallt? Selbst wenn du grummelst, ist da keine Köstlichkeit gegeben? Was kostest du in deinem Leben aus?
Obschon dich deine Sinne auf die materielle Welt beschränken mögen, liebst du die Sinne nicht? Liebst du nicht das Gefühl von weicher Seide und Chenille? Und liebst du nicht das Gefühl von grobkörnigem Sand und von Hitze unter deinen Füßen? Liebst du nicht die Massigkeit eines Felsen, auf dem du sitzt? Liebst du nicht in der Nähe ebenso wie in der Ferne die Klänge von Musik und Seemöwen? Wie steht es um die unschlagbaren Gerüche von frisch gemähtem Gras, einer gepflückten Blume oder eines Regentags? Wie steht es um den Geschmack einer Melone, einer Zitrone oder einer Ingwerwaffel? Welche Anblicke siehst du, die unauslöschlich in deinem Geist eingezeichnet sind? Was für Gedanken übergeben dir Glück? Welche farbigen Lippenstifte stillen dein Herz? Welche Gewebe, auch wenn sie nur zum Anschauen sind, entzücken deine Seele? Wo, Meine Geliebten, wo existiert keine Schönheit, an der ihr euch entzücken könnt?
Selbst das, was dir derzeit hässlich scheinen mag, kann in den kommenden Jahren zu einer Erinnerung an Angenehmes werden, was du gegenwärtig unter den Teppich kehrst.
Selbst extreme Hitze im Sommer und extreme Kälte im Winter sind dir Balsam. Ja, tatsächlich, du liebst die Kontraste, auch dann, als es in Wahrheit keine solche gibt, insofern als Einssein ist.
Denke an all das, was dein Geist bei sich behält und was er mit Gefallen als etwas Süßes und Bittersüßes festhält. Denke an diese Schöpfung, in die du eingeweiht bist. Meine Geliebten, wieso euch gegenüber das Glücklichsein versagen, unterdessen ihr in Wahrheit mit ihr bestückt seid?
Dein Geist zensiert. Er kategorisiert. Er erzählt dir, wann du glücklich und wann du traurig zu sein habest. Er sagt dir, wann zu lächeln und wann mit der Stirn zu runzeln ist. Er sagt dir, wann du in Frage zu stellen und wann du zu bejahen hast. Ist nicht dein vermehrungsfähiger Geist zu einem Diktator deines Glücklichseins geworden? Du bist ein Seinswesen, das dafür angelegt ist, frei zu sein, um die Schöpfung zu genießen. Du brauchst kein Kritiker von ihr zu sein. Besinge lieber als veranschlage. Ehrlich gesagt, du hast keinen Standard, von dem du dich leiten lassen kannst.
Ein Kind weiß mehr als du. Es vergnügt sich im Matsch, während du ihn verächtlich ausschlägst. Du wirst womöglich Sauberkeit mehr wertschätzen als Freude. Du wirst womöglich Arbeit mehr schätzen als Freude. Du wirst womöglich Geldstücke mehr schätzen als alles andere, und das Metall, das Gold ist, mehr hervorbringen als ein Herz, das aus Gold gefertigt ist. Ich sage nicht, dass du das tust. Ich sage, es mag sein, oder du wirst es gelegentlich tun. Einen derartigen Anlass zur Freude auch nur ein Mal versäumen ist ein Mal zu viel.
Ein unsichtbarer Hl. Nikolaus liefert dir jeden Tag reale Güter zu. Die Gaben, die er gibt, sind ebenfalls unsichtbar, solange bis du sie siehst.
Freude und Liebe sind äquivalent. Erfreut euch gar an Einbußen. Es ist bloß eine Idee, dass ihr verliert. Findet Freude an der Vorstellung, dass es Schätze gibt, die euch kostbar sind, und die ihr gerne ganz nahe bei euch behalten möchtet. Du hast geliebte Angehörige. Du liebst sie. Deine Liebe ist genug. Gold ist Gold, ob geschmeidig oder nicht, ob glitzernd oder nicht. Und du selbst, gleich, in welcher Form du dich befindest, bist ein Schatz. Du bist ganz gewiss Mein.
Translated by: theophilPermanent link to this Heavenletter: https://heavenletters.org/die-gezeiten-des-menschen.html - Thank you for including this when publishing this Heavenletter elsewhere.
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