Bin ich meines Bruders Hüter?
Gott redete:
Der gängige Ratschlag ist der: „Hände weg.“ Du machst dich nicht bei jemandem zu schaffen, der die Dinge anders sieht als du. Was sein Geschäft ist, ist sein Geschäft. Der Fakt, dass er seinen Rasen zu kurz mäht, dass er seinen Garten zu viel oder nicht genug sprengt, ist nicht dein Belang. Deiner Auffassung nach wird er falsche Dinge essen und zu lange aufbleiben oder zu lange schlafen. Du bist nicht hier auf der Erde, um an Anderen zu feilen. Dachtest du, dafür seist du da?
Viele Eltern werden ihre Kinder so großziehen, wie du es nicht tun würdest. Sie werden ihre Kinder bis tief in die Nacht aufbleiben lassen, ihnen beim Frühstück Süßigkeiten zu essen geben, und sie werden sie im Dreck spielen lassen. Was Eltern tun, ist ihr Geschäft.
Als Pferde und Wagen das angesagte moderne Dienstleistungsangebot darstellten, kam es zu einer moralischen Frage: Wenn ein Mann sein Pferd schlägt, mischst du dich da ein? Es ist schwer zu erkennen, wie dazwischen zu gehen ist. In der Theorie, da möchtest du gerne die Hand des Mannes, der sein Pferd misshandelte, Knall auf Fall in der Luft zum Stillstand bringen. In der Wirklichkeit, da bist du dir nicht so sicher. Was ist es gleichwohl, was dich zurückhalten wird, Grausamkeiten zu verhindern oder ihnen Einhalt zu gebieten? Wenn du an ihnen vorübergehst, bist du dann nicht, wenn auch nicht ein Helfershelfer, ein Unterstützer?
Nicht anders bei Müttern und Vätern und ihren Kindern. Wo ist die Linie, die du nicht überschreitest, und wo ist die Linie, die du überquerst, sobald dir Misshandlung oder schlicht eine andere Kindererziehungsart unter die Augen kommt? Wann hast du Sorge zu tragen, dass du vernommen wirst? Du möchtest nicht gerne Herr/Frau Wichtig sein. Du möchtest nicht irrtümlicherweise Anklage erheben, und doch, es gibt gewisse Situationen, wo du, bei allem guten Gewissen, nicht weißt, wie denn still zu bleiben ist, und wo du dennoch nicht sicher bist, dass es dir Einwände zu erheben obliege.
Du hast auch Geschichten über Kinder gehört, die körperlich ernsthaft verletzt wurden, und allemal ist der emotionale Schaden ernstlich genug, um dich in eine Zwickmühle zu versetzen.
Theoretisch, da wirst du das starke Gefühl haben, dass es nicht jedermann gut anstehe, bei dem Familienleben anderer Leute dazwischenzugehen. Oder dass es dir nicht gut anstehe. Vielleicht kann es ein Anderer. Vielleicht wird es ein Anderer tun.
Du sagst dir selber, die Quintessenz dabei sei, dass Kinder, unter schwierigen oder gar grausamen Umständen großgeworden, ihre Erziehung bezwingen, und dennoch bist du dir nicht so recht sicher, ob dies den Grund hergibt, dass du still bleibst. Auf der anderen Hand, was wäre, falls du dich irrtest? Du möchtest nie jemanden fälschlicherweise anschuldigen.
Dennoch, es gibt Zeiten, wann du deine Stimme erheben musst, wann du Jene zu beschützen hast, die sich selber nicht schützen können. Womöglich ein Mal im Leben. Womöglich mehrere Male. Vielleicht wirst du demjenigen eine Freundlichkeit erweisen, der so schwer in Schwierigkeiten steckt, dass er oder sie grausam ist, derweil es ja die Rolle von Eltern ist, zu lieben und zu stützen.
Du schaust dich nach derartigen Gelegenheiten nicht um, dennoch kannst du, wenn die Personen gegeneinander ausfällig sind, nicht sagen, du seist nicht deines Bruders Hüter.
Wünsche dir niemals, dass jemand in Schwierigkeiten gerät. Wünsche dir niemals, ein in der Bewandtnis abseits aller Maße stehender, sich betroffen zeigender Bürger zu sein. Nichtsdestotrotz mag dir das Leben eine Gelegenheit darbieten, das Leben eines Anderen zu beglücken und es vielleicht zu retten.
Ja, Ich, Der Ich es allein schon Körpern zulasse zu sterben, weiß das Retten eines Lebens zu schätzen und heiße es für gut, jenem besagten Leben Auftrieb zu verleihen. Es ist ein kleiner Dienst - zu geben, jemandem Laune zu machen und ihm eine Chance zu übermitteln, die euch ansteht, sie zu erteilen.
Dies mag euch wie eine Zwangslage erscheinen, freilich ist eine Zwangslage dann der Fall, wann ihr nicht mehr wisst, was zu tun ist. Wir sprechen jetzt über eine Situation, wann ihr euch im Klaren seid, dass es an euch ist, etwas zu tun, einerlei, ob es euch danach ist, das Angemutete liebend gerne zu tun, oder nicht.
Translated by: theophilPermanent link to this Heavenletter: https://heavenletters.org/bin-ich-meines-bruders-hueter.html - Thank you for including this when publishing this Heavenletter elsewhere.
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