HEAVEN #219 Vergebung und Christus
VERGEBUNG UND CHRISTUS
Vergebung ist kein Willensakt. Du kannst dich nicht zwingen zu vergeben. Das ist nicht Vergeben. Das ist Untertauchen, was du fühlst, und deine Zähne Zusammenbeißen.
Erstreben zu vergeben ist nicht Vergebung. Es ist bloß das Erstreben.
Das Heilmittel heißt nicht einmal, andersartig zu fühlen. Andersartig Fühlen ist ein Ergebnis von etwas anderem. Etwas hat zu geschehen, bevor du anders fühlen kannst. Sobald du anders siehst, wirst du anders fühlen.
Christus war bewegt, derweil er sah. Und so auch du.
In eurer Verständniswelt sagt ihr gar „sehen“ für „verstehen“. Denn, so wie ihr seht, auf diese Weise werdet ihr erwidern. Ihr geht auf das ein, was ihr seht.
Wenn ihr eine offen daliegende Handlung als freundlich seht, geht ihr freundlich darauf ein. Wenn ihr eine offen daliegende Handlung als unfreundlich seht, dann blickt ihr finster drein, oder schlagt zurück, oder rennt weg, oder ihr gebt vor, ihr hättet es nicht bemerkt oder hättet nicht verstanden. In jedem Fall, insofern als ihr Unfreundlichkeit saht, seid ihr damit umgegangen.
Manchmal irrt ihr euch. Das macht nichts, dann reagiertest auf das, was du dachtest, du sehest es. Wenn jemand in seine Tasche packt und du denkst, er hole seine Pistole raus, wirst du wie jemand reagieren, der sich einer Waffe gegenübersieht. Du schießt als erster, oder du rennst fort und versteckst dich. Vielleicht war derjenige, den du als deinen Gegner sahst, lediglich dabei, etwas zum Schreiben herauszuholen. Egal, sofern du gedacht hast, es handle sich um eine Pistole, reagiertest du, als ginge es um eine Pistole. Auf eine Pistole kannst du vielergestalt reagieren, doch mit Sicherheit wirst du auf das reagieren, was du deines Erachtens siehst.
Was du denkst, du siehst es, ist deine Interpretation. Dementsprechend sind gar das, was du als unverzügliche Vorkommnisse, die Beachtung erfordern, siehst, deine Gedanken. Und du denkst, wie du siehst.
Jemand, der herrscht, sieht sich selbst als einen Herrscher. Jemand, der denkt, er sei ein Sklave, ist in der Tat ein Sklave. Oder ein Gefangener. Oder ein Tor, was immer er denkt, er sei es.
Lass nicht Andere für dich sehen, denn dann wirst du ziemlich wahrscheinlich sehen, wie du zu sehen erwartet hattest. Es ist womöglich so, du wirst dasjenige sehen, was Andere sagen, es sei da. Du bist gut trainiert worden.
In einem Akt der Vergebung liegt keine Vergebung. Vergebung ist keine Handlung. Was zum Ausdruck kommt, erreicht vielleicht nicht dasjenige, was gefühlt wird. Eine Handlung ist eine kleinere Sache. Und Worte sind Handlungen.
Vergebung erfolgt vor Worten. Vergebung ist nichts anderes als andersartig sehen. Vielleicht können wir sie Weiter Sehen nennen.
Sogar ein Mensch, der die Waffe zieht, und es handelt sich augenscheinlich um eine Waffe, wird sie vielleicht herausholen, um dich zu schützen, da er etwas hinter dir sieht, was du nicht siehst. Du aber wirst es nie erkennen.
Ich glaube, in der Welt der Menschen gibt es einen Ausdruck, der besagt, nichts ist wie es scheint. Also, das macht es von dem abhängig, was dir etwas scheint.
Sicherlich gibt es Ebenen des Sehens. Was auf der einen Ebene wahr sein mag, ist es auf einer anderen nicht.
Nimm einen Augenblick lang in Betracht, dass du nicht alles zu vergeben hast. Oder gar nichts.
Vergibst du dem Regen fürs Regnen? Vergibst du Wasserlachen, dass sie sich gebildet haben? Vergibst du den Lärm, den der Ozean macht? Vergibst du dem Sand dafür, dass er in deine Schuhe gerät?
Du fühlst dich vielleicht genervt, aber du weißt, es gibt da nichts zum Vergeben. Wenn du denkst, du seiest das Zentrum der relativen Welt, dann denkst du, du habest zu vergeben. Wenn du denkst, der Ozean brülle dich an, dann wirst du wohl meinen, du habest ihm zu vergeben.
Wenn dir jemand tatsächlich unrecht getan hat, und dabei ist es nicht von Belang, wie sehr dich der volle Stoß erwischt hat, so hat sein Unrecht nichts mit dir zu tun. Wie der Regen, wie die Pfütze, wie der Sand, du bist versehentlich. Der Angreifer mag zwar denken, du seiest die Ursache, doch seine Sicht ist ebenso begrenzt.
Du bist das Zentrum des Universums, doch nicht das Zentrum der relativen Welt. Dein Zentrum liegt nicht in den Einzelheiten des Lebens.
Vielleicht hast du dir selbst zu vergeben dafür, dass du dich daneben siehst.
Du kannst, jetzt, in diesem Augenblick, deine Opposition gegen die Welt aufgeben. Du hast dich zum Leben hin versteift.
Schmelze die Notwendigkeit des Vergebens ein. Vergib von vorneherein.
Als Christus, wie uns überliefert ist, sagte: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“, sprach er eine Wahrheit aus, aber er sprach nicht zu Mir. Christus zuvorderst wusste, dass keine Nachfrage existiert, Mir das zu sagen.
Christus war ein Lehrer, und er hat euch immer unterwiesen. Seine Worte und seine Taten leiteten euch an. Die Welt war sein Klassenraum, und bis zu seinem letzten Atemzug beim Sterben (und danach, und immer noch) lehrte er euch.
Wenn die Menschen wüssten, was sie tun, würden sie öfters nicht das tun, was sie tun.
Es gibt eine große Menge Energie, die in die Vergebung fließt. Eine große Menge Energie fließt in das Urteilen. Wäre sie nicht beim Urteilen, so gäbe es keinen angeblichen Bedarf an Vergebung.
Verurteile dich selbst nicht dafür, dass du zu vergeben wünschst, denn der Wunsch zu vergeben setzt dich auf die richtige Spur. Wenn du vergibst, so wie du das Wort „vergeben“ meinst, hast du dich in einem natürlicheren Zustand neu hergestellt, in einem weniger defensiven Zustand.
Gab es jemand, der weniger defensiv war als Mein Sohn Christus? Christus war nicht-defensiv, weil er nicht an weltlichen Grenzen festhielt. Er hatte eine einzige Wahrheit, und sie war Ich. Und daran hatte er nicht festzuhalten. Er wusste, sie – Ich – war Alles Was Ist.
Christus dachte nicht so viel daran, seine Selbsthaftigkeit zu schützen. Er sah das Dahinschwinden seines Lebens. Er war nicht so sehr mit der Domäne des relativen Lebens befasst, wie ihr das seid. Er konnte sich kaum erinnern, was das Ego war. Er ging in einer umfassenderen Welt. Und er lud euch ebenfalls hinzu. Und Ich lade euch hinzu.
Wem vergab Christus? Vergab er den Leprakranken? Vergab er dem Kranken, dem Armen, dem Lahmen, dem Verschollenen? Er nahm nichts als Affront, also hatte er absolut nichts zu vergeben. Er war nicht einmal ein Lossprechender, denn was hatte er zum Lossprechen? Seine Kreuziger sah er mit Liebe. Er schmähte sie nicht. Es war für ihn keine Anstrengung, das nicht zu tun. Für Christus lag keine Bemühung darin, nichts zu sagen. Er sah mit seinen Augen der Liebe. Er sah weiter. Er sah über das hinaus, was du siehst.
Er hatte keine Gegner, aber lasst uns mal, des Fortgangs unserer Erörterung halber, sagen, er hatte welche. Falls er welche hatte, wie konnten Jene, die ihn kreuzigten, würdig sein, seine Gegner genannt zu werden? Was hat eine Stechmücke mit einem Giganten zu tun?
Mein Sohn Christus war ein Führer, und er hob verstreute Fäden auf und wob sie zusammen. Seine Mitarbeiter, so wird es in den Gemälden dargestellt, zogen Lämmer in seinen Pferch. Der Stab seiner Dienerschaft war sein Herz, und der Pferch war natürlich der Himmel. Seine Liebe, wie auch die Meinige, zieht dich höher. Und was ist höher als Liebe? Was Größeres kann man sich ausdenken? Ich kann da an nichts denken.
Vergebung ist eine klägliche Sache. Liebe ist eine große Sache. Und du bist, und jeder sonst ist, trotz all dessen, was dir deine Augen sagen mögen, aus Liebe gemacht. Und damit bist du aus Größe gemacht. Lasse die Kleinheit gehen. Höre auf, sie zu sehen. Mache Platz für die Größe.

