HEAVEN #211 Du bist der Geher
DU BIST DER GEHER
Gespanntheit. Ihr sucht nach Anspannung. Ihr denkt, Glücklichsein sei Gespanntheit. Glücklichsein ist allerdings still. Aufregung, wie etwa Ärger, ist bis zum Kochen erhitzt, und sie nutzt euch ab. Aufregung weist eine Anhaftung an ein vorweggenommenes Resultat aus. Ihr seid aufgeregt, weil etwas, was ihr überaus gerne habt, geschehen wird oder geschehen ist. Wenn es tatsächlich eintritt, mag die Aufregung ein oder zwei Minuten andauern, doch dann vergeht sie, und ihr möchtet etwas anderes, das seine Stelle einnimmt, um darüber in Spannung zu gelangen.
Aufregung bringt euch schwerlich Erfüllung. Auch dann, wenn das, worüber ihr aufgeregt seid, erfüllt ist, seid ihr es nicht.
Ihr seid über einen Urlaub aufgeregt, für einen Urlaub allerdings ist es schwer, eure Anspannung zu erfüllen. Ihr wolltet ein glänzendes neues Fahrrad, und nun, wo ihr es habt, ist es aus mit der Aufregung. Ihr fühlt euch unerfüllt, wenn ihr keine Aufregung habt, und unerfüllt, wenn ihr sie habt.
Ihr könnt mit dem Schritttempo nicht mithalten, das die Aufregung vorlegt. Aufregung ist wie ein Rennen mit full-speed, Rennen aber weisen die Grenze einer Ziellinie aus; demnach könnt ihr euch doch unterwegs das eine oder andere Mal ausruhen. Gelangt zu einem Ruheort.
Gespanntheit führt euch zu ihrem eigenen Euch-Im-Stich-Lassen.
Es ist nicht so, dass ihr vortäuschen sollt, nicht aufgeregt zu sein. Neutralität taugt nicht für eine Show. Neutralität ist die Stärke der Sicht, und sie ist auf flachem Kiel. Neutralität ist nicht Indifferenz. Sie ist nicht Distanziertsein oder Coolness. Sie ist Wissen wer du bist. Neutralität ist Wissen, dass du, was immer der Wind heranbläst, einer bist, der durch ihn hindurch geht.
Du gehst durch Herbstblätter und Sommergras und Winterschnee und Blüten des Frühlings. Du, der hineingeht, gehst heraus. Du kennst die Zeitweiligkeit von allem rund um dich herum, und du kennst es, dass es nicht anwächst. Dein Gang ist weder hastig noch verlangsamt.
Dein Leben ist ein Gang durch die Wälder.
Angst ist eine Art von Aufregung im voraus, obschon sie sich um etwas dreht, was du nicht möchtest, dass es geschieht. Weder Angst noch Aufregung wird garantiert.
Du erwartest eine riesige Barriere da vorne oder eine enorme freie Stelle. Dein Festhalten an der diesbezüglichen Angespanntheit bringt das Hindernis weder zum Vorschein noch zum Verschwinden. Besser ist es, zu warten, und das Hindernis oder die Öffnung, dann, wenn du dort anlangst, zu sehen. Kommst du an die Barriere, so kannst du um sie herum gehen, oder über sie hinweg, oder tun, was immer nötig ist, und du setzt deinen Gang fort. Kommst du zu einer großen Lichtung, bist du bei ihr angekommen, und du durchquerst sie unverzüglich, und auch dann setzt du deinen Gang fort. Wenn du einen hohen Berggipfel erklommen hast, hast du ihn erklommen, und nun gehst du weiter.
Du bist der Gänger. Du bist inmitten des Lebens, aber du gehst über das Leben. Es ist nicht der Bewerkstelliger von dir. Es wippt dich nicht hin und her. Aber du hast immer gedacht, das Leben sei genau das und sollte es sein, und du setztest deine Hoffnung darauf.
Wir könnten sagen ... Aufregung ist eine Probe für das Leben. Wir könnten sagen ... sie macht abends ihre Türe auf und macht immer und immer wieder die ganze Nacht durch. Wir könnten sagen, sie ist dein Rennen, dessen Lauf vom Stillstehen an seinen Anfang nimmt, allerdings auch so, dass du vor der Veranstaltung Kräfte verausgabst.
Gib keine Vorstellung ab, bevor du dazu aufgerufen bist. Laufe bis zum Rennen keine Rennen. Arbeite dich nicht hoch. Der Augenblick wird erscheinen, oder er wird es nicht. Vergeude deine Zeit nicht mit Gespanntheit. Das ist eigentlich bloß ein flüchtiges Überfliegen der Oberfläche des Lebens.
Sei einen Augenblick lang still und bewillkommne dein Leben, so wie es jetzt ist. Wenn die Sonne scheint, heiße sie willkommen. Wenn der Wind weht, heiße ihn willkommen. Wenn es schneit, heiße den Schnee willkommen. Ist das Wetter heiß, heiße es willkommen. Ist es kalt, heiße es willkommen. Du bist lebendig. Heiße dein Leben willkommen. Drehe dein Ventil auf Willkommen, nicht auf Aufregung. Halte deine Einstellung konstant. Schau dich nicht nach Auf und Ab um. Sei die Freude, nach der du Ausschau hältst. Sei die Erfüllung, auf die du abzielst. Sei.
Sage zum Leben: „Es ist gut so.“ Sage: „Es ist gut so.“ Was auch immer, es ist gut so. Es geht nicht so sehr darum. Was immer kommt, es kommt. Mache dich nicht darüber verrückt, weil es nicht das ist, was du geordert hast. Genieße es gleichwohl. Das Leben hat nicht anders zu sein, als es ist. Dein Leben ist nicht von dem einen oder anderen Ereignis abhängig. Es ist weder von der einen Wende und Kehre noch von einer ferneren abhängig. Denke anders über das Leben. Wende deine Gedanken herum, und du wendest dein Leben herum.

