LICHT IST EINE CHIMÄRE, DIE DIR ZUZWINKERT
Von jetzt ab weißt du, dass du dein Leben nicht zu deiner Zufriedenheit zu planen vermagst. Oder, falls du mit einem Plan Erfolg hast, dass es keine Garantie gibt, dass er Bestand hat, erfüllt zu bleiben. Es gibt für dich hinter dem Vorhang des Lebens zahlreiche Überraschungen. Viele Springteufelchen.
Es gibt Überraschungen, die du magst, und solche, die dich desillusionieren. Aber die Überraschungen selbst sind unparteiisch. Sie heben dich nicht heraus. Sie sind Teil des Mysteriums des Lebens, eines Mysteriums bloß, weil deine Pläne nicht viel genug in Betracht nehmen. Hier geht es nicht um Schwäche, Geliebte. Hier geht es um das Ausspielen des Lebens. Das Leben ist so angelegt, dass es für euch Überraschungen bereithält.
Ihr wisst nicht, welche Gewänder die Überraschungen annehmen. Und ihr könnt überrascht sein, wenn es keine Überraschung gibt! Jedoch habt ihr ein Sagen. Ihr habt eine Menge das Sagen. Ihr beeinflusst die Partie gehörig, aber das letztliche Sagen habt ihr nicht. Seid froh darüber. Ihr solltet eigentlich nicht die Intendanz haben mögen, solange eure Sicht derart beschränkt ist.
Seid nicht beleidigt, dass ihr im Leben ein Spieler seid. Spielt um alles, was euch wert ist. Kommt raus und spielt. Denkt nicht zu viel. Denken hat seinen Platz, allerdings nicht als euer Herr und Meister. Sobald einmal eine Spielrunde gespielt wurde, geht zur nächsten über. Verhätschelt euch nicht im Wiederholen von Spielen.
Stehe also an diesem Morgen auf und begegne dem Leben. Stehe auf und genieße es. Du erlebst das Leben. Und du erlebst das Leben, wie es niemand zuvor erlebte. Das Leben ist stets vor dir neu. Es ist ein Festmahl, an dem du teilnimmst, und ein Festmahl, das du unumgehbar mit Anderen teilst.
Du bist der Koster des Lebens für die ganze Welt.
Die Welt tanzt für dich. Alle Tänze sind für dich. Und neue werden jeden Tag hinzu erfunden, und die Schritte ändern sich direkt vor deinen Augen. Und doch gibt es da einen Rhythmus. Für dich wird er womöglich nicht unterscheidbar sein, aber es gibt einen unterliegenden Rhythmus. Du wirst ihn spitz bekommen. Anderenfalls, falls du es nicht tust, wird er dich einholen. Du wirst sehen, wie du einen neuen Rhythmus tanzt. Ein Zweierschritt wird zu einem Zweimillionen-Schritt. Der Boden unter dir wird weggezogen, um einen anderen Tanzboden freizugeben, der deinem Wissen nach nicht da war, und noch einen weiteren und noch einen. Das Leben liegt für dich in der Luft.
Du stellst mit deinem Vergrößerungsglas Erkundungen an. Und du erkundest mit deinem Teleskop. Und du erforschst wie kein anderer Forscher zuvor.
Du sortierst das Leben auseinander, obschon es nicht anordenbar ist. Du denkst es dir aus, obschon es, von dorther, wo du stehst oder sitzt, nicht ausdenkbar ist. Und wenn du dir etwas ausdenkst, ist es dir bereits auf die gleiche Weise entschlüpft, wie dir das entschlüpft, was du erblickst, wenn du in ein Kaleidoskop schaust. Die Konfiguration wechselt, und du kannst es unter aller Sicherheit nicht zurückbekommen.
Möchtest du es denn wirklich, dass es das Gleiche bleibt? Möchtest du von deinem Leben ein Stillleben haben, was in Sepia ausgeführt ist und unveränderbar wäre? Möchtest du an dem gleichen Fleck sitzen bleiben und von genau den gleichen Ausblicken umgeben sein? Möchtest du wirklich zwanzig bleiben oder dass dein Kind zwei Jahre alt bleibt? Gesetzt den Fall, du hättest die Wahl, würdest du dir das auswählen?
Gesetzt den Fall, du hättest die Wahl, würdest du gerne in dieser illusorischen Zeit eingefroren bleiben?
Würdest du gerne deinen Schritt mitten in der Luft zum Halten gebracht wissen?
Würdest du gerne andauernd deine Hände gefaltet haben, wie sie es jetzt sind?
Würdest du nicht gerne darüber hinaus gehen?
Würdest du nicht gerne den Vorhang aufgezogen wissen?
Falls dein Leben genau, wie es eine Woche, ein Tag, eine Stunde lang ist, aufrechterhalten würde, würdest du nicht darum flehen, imstande zu sein, aufzustehen und anzufangen, dich in Bewegung zu setzen?
Das Leben handelt von Bewegung, Geliebte. Es handelt vom Sich-Erheben und Sich-Herum-Bewegen. Selbst während die Kamera das Bild aufnimmt, verändert sich das Bild. Die Sonne verwandelt sich, und Licht ist eine Schimäre, die dir zuzwinkert.
Trinke den Heiligen Gral des Lebens mehr, als du über es nachsinnst.